Tintenherz

Wenn es eine Buchreihe gibt, die gleich beim ersten Lesen begann „Harry Potter“ den festen Platz unter meinen Lieblingsbüchern streitig zu machen, dann ist es die Tintenwelt-Trilogie von Cornelia Funke. Ich kann mich bis heute nicht entgültig entscheiden, welche Buchreihe mir besser gefällt oder welchen Schreibstil ich schöner finde. Tatsache ist, dass ich beim Lesen sowohl nach Hogwarts als später auch in die Tintenwelt eingetaucht bin, alles um mich herum vergessen habe, auch jedes Zeitgefühl verloren habe, bis ich viel zu schnell die letzte Seite des letzten Bandes erreicht hatte und mir gewünscht habe, wieder zurück zu kehren.

Dementsprechend gefreut hat es mich, als ich im Frühjahr 2007 erfuhr, dass Tintenherz verfilmt werden sollte. Aber ein paar Bedenken hatte ich auch. Zwar waren Cornelia Funkes Bücher bisher immer sehr liebevoll umgesetzt worden, besonders die Geschichten der „Wilden Hühner“ und der „Herr der Diebe“, aber Tintenherz verfilmen... konnte das gut gehen?

Gut, alleine die Idee, dass es Menschen gibt mit der Gabe, Personen und Gegenstände aus Büchern heraus zu lesen, ist genial und würde sich in einem Film sicher gut machen. Davon abgesehen, lebt die Trilogie aber zu einem ganz großen Teil von Gefühlen, Gedanken, Ängsten und dem einzigartig poetischen Schreibstil von Cornelia Funke. Würde das in einem Film erhalten bleiben können? Oder würde es einer erhöhten Ladung Action zum Opfer fallen, damit der Film die breite Masse der Kinogänger anspricht? Die ersten Kritiken, die ich in den letzten Tagen aufgeschnappt hatte, ließen leider genau das vermuten. Also habe ich meine Erwartungen herunter geschraubt und bin nicht mit der Hoffnung ins Kino gegangen, eine originalgetreue Umsetzung des Buches zu sehen zu kriegen, sondern einfach einen hoffentlich gut gelungenen Fantasy-Film.

Und was ist passiert? Ich bin begeistert! Wie zu erwarten gewesen war, war wirklich ein ordentliches Maß Action hinzugefügt worden, was der Spannung aber in diesem Fall zuträglich war. Es wurden auch viele Handlungsstränge mehr oder weniger stark abgeändert, so erfährt Staubfinger zum Beispiel erst nach der Hälfte des Films, wer Resas Familie ist, aber das Grundgerüst der Geschichte ist erhalten geblieben, und so ziemlich jede Änderung ist nachvollziehbar und war für die filmische Umsetzung von Nutzen.

Lediglich drei Unterschiede zum Buch haben mir Probleme bereitet: Meggie nennt Mortimer im Film fast ständig „Dad“ und sagt nur ganz selten „Mo“, das fand ich sehr schade. Schlimmer fand ich aber noch zwei Änderungen in Bezug auf die Charakterentwicklung von Mortimer und Meggie. Innerhalb der drei Bücher macht Mo eine beeindruckende Entwicklung durch. Er wandelt sich erst im Laufe der Geschichte von einem durch und durch pazifistischen, friedlichen und ehrlichen Bücherwurm zu einem Kämpfer, einem Krieger, dem „Eichelhäher“. Den Anfang nimmt diese Entwicklung gegen Ende des ersten Buches, als Meggie es nicht übers Herz bringt, Fenoglios Worte zu lesen, die den Schatten dazu bringen sollen, Capricorn zu töten. Mo muss diese schwere Aufgabe übernehmen, und Meggie ist fassungslos, dass Ihr friedfertiger Mo in der Lage ist, einen anderen Menschen zu töten. Im Film schlägt sich Mortimer schon zu Anfang des Filmes mit Capricorns Männern, in Capricorns Thronsaal will er sogar mit wutverzerrtem Gesicht auf Capricorn selbst los gehen, und Meggie liest ohne zu zögern Fenoglios Blatt bis zu seinem bitteren Ende vor. Das hat mich etwas enttäuscht, dass sie so kaltblütig ist. Und ich frage mich, wie sie Mos Entwicklung in den weiteren Filmen, die es ja hoffentlich geben wird, überzeugend rüber bringen wollen, wenn er jetzt schon keine Skrupel hat, sich mit Fäusten und Waffen zu verteidigen.

Davon einmal abgesehen, ist das Buch im Film aber einfach ganz wunderbar umgesetzt worden. Sogar die Magie, die ich beim Lesen verspürte, ist im Film nicht ganz verloren gegangen. Dafür sorgen der stimmungsvolle Soundtrack, die größtenteils sehr schönen Drehorte (also in Elenors Haus würde ich sofort einziehen!) und vor allem die geradezu perfekt besetzten Schauspieler. Wenn ich mich auf einen Charakter festlegen müsste, den ich im Film am besten fand, ich könnte es nicht!

Brendan Fraser hat mir in der Rolle des Mortimer „Zauberzunge“ Folchard viel besser gefallen als ich befürchtet hatte. Fraser gefällt mir zwar in den Mumie-Filmen sehr gut, aber den Charakter, den er dort verkörpert, hat mit Zauberzunge so gar nichts gemeinsam, höchstens noch mit dem Eichelhäher, aber das Problem habe ich ja oben schon beschrieben. Trotzdem finde ich es schön, dass Brendan Fraser die Rolle tatsächlich angeboten bekommen und auch angenommen hat, denn im Einband des Buches hat Cornelia Funke geschrieben: Für Brendan Fraser, dessen Stimme das Herz dieser Geschichte ist. Das ist für mich auf jeden Fall auch ein Grund, wieso ich den Film unbedingt noch einmal auf Englisch anschauen muss, denn Brendan Frasers Synchronstimme hat so gar nicht den wohltönenden Klang, den ich Mos Stimme in Gedanken beim Lesen immer verliehen habe.

Bei Meggie habe ich auch das Synchronstimmen-Problem, ihre Textpassagen wirkten mir oft zu abgelesen mit zu wenig Emotion gefüllt. Insgesamt habe ich mir übrigens sowohl Meggie als auch Farid deutlich jünger vorgestellt, Meggie so ungefähr 12 und Farid vielleicht 14 oder höchstens 15. Aber obwohl man Eliza Bennet ansieht, dass sie schon 16 ist und Rafi Garvron seine 19 Jahre auch nicht verbergen kann, verkörpern die beiden Meggie und Farid so überzeugend, dass mich der Altersunterschied im Endeffekt überhaupt nicht gestört hat.

Vor allem Rafi Gavron hätte ich jederzeit einfach nur zu Boden knuddeln und einpacken können! Er bringt den Jungen aus 1001 Nacht mit einer solchen Natürlichkeit auf die Leinwand, dass man ihn einfach nur süß finden kann. Ganz wunderbar!

Sienna Guillory habe ich zuletzt als Elfe in „Eragon“ gesehen und konnte ihren schauspielerischen Fähigkeiten da nicht sonderlich viel abgewinnen. Als Resa, speziell als stumme Resa, zeigt sie aber, was in ihr steckt. Resas stumme Schreie und ihre Mimik und Gestik dazu haben mir echt das Herz zusammen geschnürt.

Paul Bettany ist eh ein großartiger und sehr wandelbarer Schauspieler und für „Staubfinger“ ist er einfach die perfekte Besetzung. Ohne zu viele Worte auf etwas zu verwenden, zeigt er jede Gefühlsregung, seine inneren Kämpfe und seine Zweifel, ob er das richtige tut, seine Sehnsucht nach Roxanne und seiner Heimat, seine Sympathie für Meggie, Farid und Resa so überzeugend, dass man automatisch mitfühlt, auch wenn er gerade mal wieder die falsche Entscheidung trifft.

Jim Broadbent hat in mir schon als Professor Diggory Kirke in „Die Chroniken von Narnia“ die Idee aufkommen lassen, dass der einen ganz wunderbaren Fenoglio abgeben würde. Und siehe da: Ich sollte Recht behalten! Besonders amüsant sind für die Zuschauer jene Szenen, die eigentlich bedrohlich sind und jeden unserer Helden um sein Leben bangen lassen, während Fenoglio einfach nur strahlend mit den großen Augen eines Kindes seine zum Leben erwachten Schöpfungen bestaunt.

Einfach nur brilliant war Helen Mirren als Elinor Loredan! Ganz herrlich, wie sie dieser einsamen, verbitterten Frau mit der harten Schale, dem weichen Kern und dem trockenen Sarkasmus Leben eingehaucht hat.

Capricorn ist mit Andy Serkis auch prima besetzt. Dieser leicht irre Blick, den er seit „Gollum“ wohl nie mehr abgelegt hat (*g*), passt prima in mein Bild von Capricorn und macht ihn herrlich unberechenbar. Auch hier hatte ich allerdings wieder das Problem mit der Synchronstimme, wenn auch ein anderes als bei Meggie und Mo. Ich liebe die Stimme von Andreas Fröhlich, aber ich höre seit nun mehr 18 Jahren „Die drei Fragezeichen“, und obwohl Andreas seine Stimme fast durchgehend sehr gut verstellt hatte, schwappte zwischendurch immer mal wieder „Bob Andrews“ durch. Ich glaube, ein erneuter Gang ins Kino, um die englische Version zu sehen, ist für mich echt unvermeidbar ;-)

Vorerst freue ich mich aber erst mal, den Film immerhin schon mal auf Deutsch gesehen zu haben und kann nur jedem raten, auch ins Kino zu gehen und / oder besser noch: Die Bücher zu lesen.

 

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