Took 3

Als Took am Nachmittag des nächsten Tages den Silberwald erreichte, nahm er eine Bewegung am Waldrand war und verharrte. Da war schon wieder diese Drow, das gab es doch nicht! Keine normale Dunkelelfe bewegte sich so oft bei Tageslicht an der Oberfläche und stieß dann auch noch mehrmals ganz zufällig mit ihm zusammen. Er wurde das unangenehme Gefühl nicht los, dass sie ihm nachstellte. Trotzdem machte er gute Mine zum bösen Spiel und winkte Thymarei freundlich zu. Sie war noch immer in Lumpen gekleidet, ihr Piwafwi befand sich in einem mehr als abgewetzten Zustand, weshalb er die Umgebung zu Tooks Freude auch nur mäßig verdunkelte, aber ansonsten schien sie sich von dem Kampf gestern gut erholt zu haben. Thymarei erzählte dem Hobbit, sie sei auf dem Weg nach Felonia, um dort einige Besorgungen zu machen. Ausgerechnet Felonia! Ob sie am Abend zuvor in seinen Gedanken gelesen hatte, als er Gilbards Rezept gefunden hatte?

Gemeinsam setzten sie ihren Weg durch den Silberwald fort, und am späten Nachmittag rasteten sie auf einer kleinen Lichtung. Took beugte sich vor, um Thymarei einige kleine Pasteten aus seinem Proviantbeutel zu reichen. Dabei verrutschte sein Hemd ein Stück und gab den Blick auf Tooks rechte Schulter frei. Took versuchte hastig, das Hemd wieder zurecht zu rücken, doch Thymarei hatte das Brandmal des Drowhauses Nhe’Sekalmor bereits entdeckt. Ungläubig starrte sie Took an, der jeden Moment damit rechnete, die Drow würde ihn nun zu überwältigen versuchen. Doch Thymarei seufzte nur und erklärte, sie hielte nichts von Sklavenhaltung, und wenn sie vorgehabt hätte, Took zu seiner Herrin zurück zu bringen, dann läge er jetzt schon säuberlich verschnürt vor ihren Füßen.

Das Thema war Took mehr als unangenehm, deshalb fragte er beiläufig, wie denn Thymareis Auseinandersetzung mit Plazebo ausgegangen sei und ob er noch einmal zurück gekommen sei. Die Antwort auf diese Frage trug dann wiederum auch nicht dazu bei, dass Took seine Furcht vor der Dunkelelfe ablegte: Thymarei und Plazebo hatten sich noch in der gleichen Nacht zusammen geschlossen und gemeinsam die Ilharess des sechsten Hauses, dem Plazebo als Krieger diente, ausgelöscht. Thymarei selbst war jetzt die Matriarchin dieses Hauses und hatte Plazebo zu ihrem Waffenmeister ernannt. Took lief ein Schauer über den Rücken. Diese Drow schien genau wie alle anderen machtgierig und zu allem fähig. Trotzdem behauptete sie, sie hielte nichts von der Versklavung der Oberflächenvölker. Gedankenverloren knabberte Took an seiner Pastete. Eine Drowgesellschaft ohne Sklaven… wie sollte so etwas möglich sein?

Die plötzlich eintretende Finsternis riss Took jäh aus seinen Gedanken. Er hörte, wie Thymarei neben ihm auf die Füße sprang und fragte: „Wer seid Ihr?“. Eine männliche Stimme antwortete auf Drow, so dass Took nicht verstehen konnte, was er sagte. Panik wallte in ihm auf. Er zog sein Schwert und stolperte rückwärts, nur fort von den beiden Dunkelelfen. Ein Baum stoppte seinen Rückzug, als er hart dagegen stieß. Da erklang Thymareis Stimme: „Wenn Ilharess Macalla diesen Hobbit zu sehen wünscht, so wird es mir eine Freude sein, ihn persönlich zu ihr zu bringen. Took, zu mir!“ Alle Farbe war aus dem Gesicht des Hobbits gewichen. Macalla! Took hatte gewusst, dass ihm die Stimme des männlichen Drow bekannt war: Es war Tyron, der Waffenmeister des Hauses Nhe’Sekalmor. Welche Pläne Thymarei auch immer verfolgte, Took war gezwungen, mitzuspielen, denn er war sich deutlich bewusst, dass er nicht die geringste Chance hatte, vor Tyron davon zu laufen. Und sollte sie vorhaben, ihn auszuliefern… nun, im Moment war er IHR hilflos ausgeliefert. Ängstlich trat Took auf die Stelle zu, von der die Stimmen der beiden Dunkelelfen erklangen und ging dort in die Knie, sein Schwert neben sich gelegt, und senkte den Kopf, wie er es früher immer hatte tun müssen.

„Wieso trägt Euer Sklave Rüstung und Waffen?“ drang Tyrons kalte Stimme an Tooks Ohr. Er musste sich direkt neben ihm befinden. Thymarei antwortete genauso kühl: „Er ist ein beachtlicher Schwertkämpfer, ich nehme ihn tagsüber zuweilen als Schutz mit mir. Nun denn, wollt Ihr uns zu Ilharess Macalla führen?“ „Gewiss, Herrin“, antwortete Tyron, und Took erstarrte, als Tyrons Hand sich auf seinen Unterarm legte und etwas kaltes, metallisches seine Haut berührte. „Die Handfesseln werden nicht nötig sein.“, rief Thymarei Tyron zu, „Der Hobbit weiß, dass er nicht entkommen kann.“ Tyron nickte Thymarei zu, verstärkte seinen Griff um Tooks Handgelenk jedoch noch und rieb mit seinen Fingern feste über Tooks Handgelenk. Der Hobbit blickte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und sah in Tyrons hämisch grinsende Augen. Dann ließ der Drow ihn los, warf ihm noch einen spöttischen Blick zu und ging voran.

Für Took war der Marsch in die Unterwelt wie der Gang zum Schafott. Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Wieso hatte er sein sicheres Smial bloß verlassen? Wenn man ihn wirklich vor Macalla brachte, dann war sein Leben verwirkt. Er konnte noch nicht einmal darauf hoffen, seine Sklavendienste wieder aufnehmen zu müssen. Er war geflohen, und geflohene Sklaven wurden den Dridern zum Fraß vorgeworfen oder der Spinnengöttin geopfert. Er musste hier weg! Thymarei legte ihm beruhigend, aber mit Nachdruck die Hand auf die Schulter, als hätte sie seine Gedanken gespürt und wolle ihm sagen, er solle ja nicht so töricht sein und einen Fluchtversuch wagen.

Als die Tore der Dunkelelfenstadt Dhrkion sich hinter ihnen schlossen, verließ Took das letzte bisschen Mut. Im diffusen Zwielicht, das in der Stadt herrschte, damit die Sklaven ihren Weg finden, erkannte er jeden Winkel wieder. All das schien so vertraut, als sei er nie fort gewesen, und nur in seinen Alpträumen hatte er es erlebt, dass er jemals wieder hierher kommen musste. Sein Herz begann heftiger zu schlagen, je näher sie Macallas Haus kamen. Als Tyron seine beiden Begleiter in der Eingangshalle zu Macallas Haus zurück ließ, um sie bei Macalla anzukündigen, bemerkte Took zu seinem Erstaunen, dass Thymarei genauso nervös und verängstigt wirkte wie er. Sie sprachen kein Wort zueinander, und als Tyron zurückkam, strahlte Thymarei wieder die gewohnte Selbstsicherheit einer Drow aus.

Took folgte den beiden Dunkelelfen in Macallas Arbeitszimmer. Es war nicht nötig, ihm zu sagen, er solle sich hinknien. Die bedrückende Stille des Raumes und die bloße Anwesenheit von Macalla reichten völlig aus, dass ihm die Knie ganz von selbst weich wurden und er wie gelähmt dakniete, die Stirn auf den Boden gedrückt, und kaum zu atmen wagte. Took hörte, wie Macalla hinter ihrem Schreibtisch hervortrat und näher kam. Dann ihre Stimme, sanft und doch gefährlich. Sie sprach drow, so dass Took nicht verstehen konnte, was sie sagte.

To be continued...

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