Tag 07

Samstag, 05.07.2008 (Tag 7)

Wir haben tief und fest geschlafen. Auf dem Weg in die Küche fragte mich jeder nach Biancas Knie, das hatte sich anscheinend schnell rumgesprochen. Zum Glück konnte sie heute schon etwas besser laufen. Nachdem wir ausgecheckt hatten, fuhren wir die ganze lange Holperstrecke bis nach Balmaha am Ostufer des Sees wieder nach Süden, um dann am Westufer entlang wieder nach Norden zu fahren, denn auf der Ostseite ging es ja nun leider nach Rowardennan nicht mehr weiter.

Wir hielten an der erstbesten Tourist-Information und ließen uns auf einer Karte der Gegend einzeichnen, was hier im weiteren Verlauf der A82 alles sehenswert sei. Als besonderer Tipp wurde uns das „Drover’s Inn“ genannt, ein Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert, das kurz hinter Ardlui lag. Das steuerten wir dann gegen Mittag auch an und waren wirklich begeistert. Von außen sieht es aus wie ein altes Mühlhaus, aus dicken Steinklötzen erbaut, und innen ist es urig-gemütlich, im offenen Kamin prasselte trotz des Sommerwetters ein kleines Feuer, es lief schottische Musik, und das Essen war sehr lecker und extrem preisgünstig für schottische Verhältnisse. Für 6,50 GBP sind wir richtig satt geworden, und ein Getränk war da auch schon dabei. Die Kellner und Kellnerinnen trugen unten herum alle Kilt und oben Shirts mit der Aufschrift „Scottish Pub of the Year... 1705“.

Auf unserer Weiterfahrt ließen wir Loch Lomond jetzt hinter uns und erreichten nach kurzer Zeit das Rannoch Moor, wo wir ausstiegen, um ein paar Fotos zu machen. Wir achteten natürlich darauf, nie die Trampelpfade zu verlassen, und selbst die waren schon relativ sumpfig, so dass Bianca Nasse Socken bekam. Gerade als wir zum Auto zurück gehen wollten, klingelte mein Handy, und Andy war dran, der mir freudestrahlend mitteilte, mein Rucksack sei nun endlich angekommen.. Ich antwortete: „Yeah, Andy, that’s great. But you know what? NOW we are on our way to the Isle of Skye, about 300 miles away.” Er seufzte, und ich konnte fast hören, wie er angestrengt über eine Möglichkeit nachdachte, den Rucksack bis nach Skye zu bringen. Dann seufzte ich meinerseits und sagte ihm, da unser Urlaub jetzt eh schon halb rum sei und ich mir in der Zwischenzeit auch schon einen neuen Schlafsack gekauft hatte, solle er einfach auf meinen Rucksack aufpassen, und wir würden ihn nächsten Montag bei ihm im Büro abholen, bevor wir nach Hause flogen.

Allmählich veränderte sich die Landschaft, durch die wir fuhren. Die weiten Moorflächen wurden zusehends von Wiesen und hohen Bergen abgelöst. Und dann passierten wir Glencoe. Wir haben uns erst ein paar Tage später gestanden, dass wir beide Tränen in den Augen hatten, als wir das Tal passierten. Ich weiß nicht, ob es an dem Wissen um das düstere Stück schottischer Geschichte lag, das in diesem Tal stattgefunden hatte (Am 13. Februar 1692 wurden 38 Mitglieder des in diesem Tal lebenden Clan MacDonald von Männern ermordet, die zuvor tagelang die Gastfreundschaft des Clans genossen, mit ihnen Karten gespielt und sich hatten bewirten lassen. Weitere 40 Clan-Mitglieder verhungerten auf ihrer Flucht durch die Berge oder starben an Unterkühlung.) oder daran, dass in unserem CD-Player gerade das Stück „Eliza’s Farewell“ lief, was schon unter normalen Umständen melancholische Gefühle heraufbeschwört oder daran, dass dieses „Tal der Tränen“ (Übersetzung von gälisch „Glen Coe“) so unglaublich weit, leer, bedrückend, düster, einsam und gewaltig zugleich ist. Wahrscheinlich war es eine Kombination von allem, jedenfalls hatte uns bisher noch kein Anblick so sehr berührt wie dieser. (Video)

An diesem Tag erreichten wir um kurz für 18 Uhr die Stadt Fort William am Fuß des Ben Nevis, Schottlands höchstem Berg. Eigentlich hatten wir gehofft, in Inchree am Ufer des Loch Linnhe noch zwei freie Betten im dortigen Hostel zu bekommen, denn in meinem Reiseführer wurde das Hostel für seine besonders schöne Lage gepriesen, von wo aus man herrliche Sonnenuntergänge über dem Loch beobachten könne. Ich hatte das Hostel aber im Internet nirgends finden können, und als wir dort ankamen, war es schon restlos ausgebucht. Die Leute dort waren aber sehr hilfsbereit und schrieben uns gleich mehrere Hostels in Fort William auf, bei denen wir es versuchen sollten. Zuerst einmal hetzten wir aber in Fort William noch schnell in einen Tesko’s Supermarkt, weil uns Milch und Wasser ausgegangen waren. In Schottland schließen die Geschäfte grundsätzlich um 18 Uhr, auch in Touristen-Orten wie Fort William. Das einzig gute daran ist, dass ab 18 Uhr dann auch fast alle Parkplätze in den Städten kostenlos sind. Wir brauchten eine Weile, bis wir auf unserer Stadtkarte die Adressen der einzelnen Hostels ausfindig gemacht hatten und klapperten sie dann zu Fuß der Reihe nach ab, alle mit dem gleichen Ergebnis: „Sorry, we are full“.

Also stand uns wohl oder übel unsere erste Nacht im Auto bevor. Zwar hatten wir eh vorgehabt, viermal im Auto zu übernachten, deshalb hatte ich extra eine teurere Auto-Preisgruppe ausgewählt, bei der ein Auto abgebildet gewesen war, dessen Rücksitzte sich zurückklappen ließen und dann eine Liegefläche ergaben. Leider war das Auto, das uns dann tatsächlich zur Verfügung gestellt wurde, ein Peugot 207, eine kleine Sardinenbüchse, wo sich überhaupt nichts umklappen ließ. Ich hätte bei der Buchung auf den Hinweis in Ameisenschriftgröße achten sollen, der neben dem Bild stand und lautete, „So oder ähnlich“. Die Ähnlichkeit zu dem im Internet abgebildeten Auto bestand aber lediglich darin, dass unser kleiner Flitzer auch ein 5-Türer war, was uns beim Übernachten so ganz und gar nichts nütze.

Da uns in Fort Williams nach kurzer Zeit im Auto das Blut in den Kopf oder die Füße gelaufen wäre, weil es dort ausschließlich abschüssige Straßen gibt, sind wir noch ein Stück weiter bis nach Glenfinnan gefahren. Ich war ziemlich verblüfft, wie winzig das Glenfinnan Monument ist. Auf Fotos hatte es immer so gewaltig ausgesehen, aber in Wahrheit ist es eine süße kleine Säule, nicht einmal so hoch wie ein Kirchturm. Viel interessanter als das Monument war für Bianca und mich aber das Eisenbahnviadukt, das sich dort auf 21 steinernen Bögen über ein kleines Tal erstreckt. Wir stellten unser Auto auf dem Parkplatz am Fluss ab (schlechte Idee! Die Midges waren der Horror!) und schlenderten in der Abenddämmerung durch das Tal, bis wir genau unter dem Viadukt standen. Obwohl wir noch nie hier gewesen waren, war uns dieser Ort sehr vertraut, denn über das Glenfinnan Viadukt rauscht seit „Chamber of Secrets“ der Hogwarts-Express in jedem Harry Potter Film (Video).

Wir räumten im Auto alles so um, dass zwei sehr improvisierte Schlafplätze entstanden: Bianca klappte den Beifahrersitz komplett zurück, bis er auf der Rückbank lag und streckte sich auf ihm aus, und ich quetschte meine Füße zwischen ihre Kopfstütze und die Rückbank und versuchte, mich halbwegs bequem auf der Rückbank hinzulegen, wobei ich mich nicht mal ansatzweise ausstreckten konnte, das Auto war viel zu schmal. Dann flaute der Wind ab, und die Midges kamen in riesigen Schwärmen. Zuerst haben wir versucht, die Fenster geschlossen zu halten, aber zwei Erwachsene in so einem winzigen Auto eine ganze Nacht ohne Frischluft... unmöglich! Wir sprühten die Bereiche um die Fenster mit meinem Spray ein, und vorerst schien es auch tatsächlich zu helfen. Bianca war nach wenigen Minuten eingeschlafen, aber ich drehte mich bis halb 4 ständig um mich selbst, weil ich keine Stellung lange aushielt, ohne dass mir alle Knochen weh taten, und sich langsam tatsächlich so etwas wie Platzangst in mir breit machte, weil ich meine Beine die ganze Zeit angewinkelt halten musste. Während dieser Nacht musste ich dann leider auch feststellen, dass mein Spray immer nur etwas eine dreiviertel Stunde Wirkung zeigt, und so habe ich in dieser Nacht letztendlich mehr als 40 Stiche abbekommen.

 

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