Tag 10

Dienstag, 08.07.2008 (Tag 10)

Ich habe wunderbar geschlafen! Um kurz nach 6 Uhr bin ich in der Dusche verschwunden, habe aber zuerst das Prinzip nicht erkannt und mich einmal so höllisch heiß verbrüht, dass ich lauthals geflucht habe, was leider Bianca, Shannon und Claire geweckt hat.

Das Skye Backpackers hatte wieder so ein geniales Frühstücksangebot wie das Castle Rock in Edinburgh, aber da wir noch soviel Brot, Marmelade und Frischkäse hatten, haben wir trotzdem unsere eigenen Vorräte gefrühstückt. In der Küche kamen wir mit einem sehr netten, französischen Ehepaar ins Gespräch. Die Frau sprach nicht nur fließend Englisch, sondern auch Deutsch und gab uns einen Geheimtipp, den wir später am Tag ausprobieren wollten: Wenn man kurz hinter Uig auf einen schmalen Weg abbog, würde man nach ein paar Minuten ein verzaubertes Tal namens „Fairie Glen“ erreichen, das 1:1 das Auenland von Tolkiens Hobbits wiederspiegeln solle, sagte sie. Wir bedankten uns für den Tipp, und ich musste ihr auch noch ein Kompliment machen. Ich sagte ihr, dass sie das komplette Gegenteil fast aller Franzosen sei, die ich bisher kennen gelernt hatte, nämlich überhaupt nicht arrogant, sehr freundlich, aufgeschlossen und dann auch noch ihr fließendes Deutsch und Englisch. Da lachte sie nur und meinte, ich hätte bisher sicher nur Pariser kennen gelernt. Richtig! Sie erklärte mir, dass es zwei Arten von Franzosen gäbe: Die Pariser und die Anderen. Aha, wieder was gelernt ;-)

Da wir außer dem Tipp mit Fairie Glen noch nicht recht wussten, was wir auf Skye eigentlich alles anschauen wollten, hatten wir uns vorgenommen, heute erst mal die typische Touristen-Route abzufahren (Video). Vorher sind wir aber noch kurz über die Skye Bridge nach Kyle of Lochalsh gefahren, wo Bianca endlich die letzten Souvenirs für ihre Familie fand und ich in der Apotheke Wurmkur und Flohmittel für den stark befallenen Hemorrhoid kaufte. Anschließend machten wir uns bei strahlendstem Sonnenschein auf den Weg nach Portree, der Hauptstadt der Isle of Skye.

Viel zu sehen gab es dort allerdings nicht, es ist einfach ein typischer Touristenort. Hinter Portree fanden wir einen hübschen, kaskadenartigen Wasserfall, und von dort aus hatte man auch schon einen guten Blick auf den Old Man of Storr, jene unverkennbare Felsnade, die am Rande eines Gebirgszuges die Landschaft überragt. Wir setzten dazu an, über einen kleinen Trampelpfad auf einen Hügel zu steigen, um von dort einen besseren Ausgangspunkt für ein Foto zu haben, aber der Trampelpfad und auch die ihn umgebende Wiese entpuppten sich als nasser als das Rannoch Moor. Schon nach zwei Schritten stand Bianca mit ihren Chucks knöcheltief im Wasser, und wären meine Wanderstiefel nicht wasserdicht gewesen, hätte ich an diesem Tag auch zum ersten Mal nasse Socken bekommen.

Während Bianca wieder ins Auto stieg und die Heizlüftung auf ihre Füße richtete, kletterte ich noch eine Weile an dem Wasserfall herum und spielte ein bisschen mit Belichtung und Blende, um das Wasser weich wirken zu lassen, das hatte Bianca mit beigebracht.

Unser nächstes Ziel war der Wasserfall am Kilt Rock Felsen. Dort stand ein junger Mann und spielte den Dudelsack, aber sonst gab es da nicht sonderlich viel zu sehen. Wir haben ein Foto von dem Wasserfall gemacht und sind weiter gefahren Richtung Quiraing-Felsmassiv. Die Straßen wurden unglaublich steil und eng, aber zum Glück kam mir an den schwierigsten Stellen nie jemand entgegen (Video). Am Aussichtspunkt angekommen, bot sich uns ein wirklich beeindruckender Anblick, und ich verspürte große Lust, ein bisschen ins Quiraing hinein zu wandern. Das kam mit Biancas Schuhwerk und vor allem mit ihren nassen Socken aber leider überhaupt nicht in Frage.

Also fuhren wir weiter nach Uig, das eigentlich nur aus einem großen Fährhafen besteht. Dort fanden wir ein gemütliches kleines Bed & Breakfast, wo nachmittags kleine Snacks serviert wurden. Wir nahmen beide eine Portion Chips, also Pommes Frittes mit Salz und Essig.

Dann wurde es Zeit, den Tipp der Französin auszuprobieren. Wir nahmen die erste Abzweigung nach links gleich hinter dem einzigen Hotel von Uig. Zuerst fanden wir das Tal, was sich links von uns ausbreitete, nicht sehr beeindruckend, aber dann fuhren wir um eine Kurve, und vor uns erstreckte sich das Auenland, aber absolut. Den ganzen verbleibenden Nachmittag lief ich barfuß die Hügel hinauf und hinab, ließ die Beine in dem kleinen See am Wegrand baumeln und fühlte mich wie ein Hobbit, der nach Hause gekommen war (Video). Hinter den Hügeln erklommen wir einen kleinen Steilhang, dessen andere Seite von einem düsteren Wald bewachsen war (Video). Die knorrigen Bäume wuchsen so schräg wie der Boden, auf dem sie standen, und die langen Äste bildeten ein verworrenes Dickicht. Je weiter wir nach unten stiegen, desto mehr waren Steine und Erdboden mit dickem, flauschig-weichem Moos bedeckt, und das wenige Licht, das hier unten noch durch die Bäume drang, verlieh dem ganzen Ort etwas unwirkliches, fast unheimliches. Wenn man daran glaubt, dass im Fairie Glen wirklich das Kleine Volk lebte, dann schienen sie Bianca nicht sonderlich zu mögen. Ein besonders schöner, mit Moos bewachsener Felsen, der zum Hinsetzen einlud, bescherte Bianca einen nassen Hintern bis auf die Unterhose, während ich mit trockenen Kleidern wieder davon aufstand!

Ich hätte noch ewig dort bleiben können, aber wir wollten nicht riskieren, dass Bianca sich eine Blasenentzündung einfing, deshalb sind wir erst mal zurück ins Hostel gefahren, wo wir von 19:30 Uhr bis 20:30 Uhr blieben, kurz etwas aßen und unsere Sachen schon mal in den Wohnwagen brachten, der sich als erstaunlich geräumig und gemütlich erwies. Shannon hatte sich auch noch nicht vom Skye Backpackers losreißen können und war auch im Wohnwagen unter gekommen, sowie eine Kanadierin namens Jan mit ihren beiden Töchtern (14 und 16).

In den Monaten vor unserer Reise hatte ich öfter die Foto-Website www.flickr.com nach schönen Fotos von Schottland durchforstet, um Ideen zu sammeln, welche Orte einen Besuch wert sein würden. Dabei bin ich immer wieder über ein ständig wechselndes, aber stets wunderschönes Motiv gestoßen: Sonneuntergang in Elgol, einem winzigkleinen Ort an der Südwestküste der Isle of Skye. Damit wollten wir dann heute auch unseren Abend ausklingen lassen, denn der blaue Himmel ließ auf einen spitzenmäßigen Sonnenuntergang hoffen.

Die Fahrt nach Elgol wurde zu einer Treibjagd, immer der Sonne hinterher. Wir wussten mittlerweile aus Erfahrung, dass die Sonne hier so gegen 22:30 Uhr unterging, aber was auf der Landkarte nach einer sehr kurzen Entfernung ausgesehen hatte, entpuppte sich zu einer Zickzackfahrt über, durch und um Berge herum, und andauernd standen Schafe am Wegesrand oder mitten auf der Straße, so dass wir nur im Schneckentempo voran kamen! Immer seltener passierten wir Dörfer, später nur noch vereinzelte Häuser, und nachdem wir eine endlose Strecke durch nichts als Wiesen und Felsen gefahren waren, begannen wir uns zu fragen, ob wir überhaupt noch richtig waren. Aber dann erreichten wir eine Hügelkuppe (was für ein Blind Summit!!!), und die Bucht von Elgol lag vor uns. Erst einmal hieß es aber, das letzte Stück Straße zu bewältigen, die sich in Haarnadelkurven unglaublich steil zum Strand hinunter wand. Ich hatte jetzt schon Panik davor, das Auto auf der Rückfahrt wieder dort hoch fahren zu müssen!

Die Weltreise nach Elgol hat sich gelohnt! Von drei Fotografen abgesehen, waren wir dort völlig alleine, bewunderten den wunderbaren Sonnenuntergang und die für Elgol so typischen glatten, runden Kiesel, von denen jeder mindestens so groß war wie ein Straussenei! Weiter hinten wird der Kieselsteinstrand dann durch flache, schwarze Felsen abgelöst, auf denen man herrlich sitzen und auch liegen kann, und das Wasser war selbst jetzt im Zwielicht des Sonnenuntergangs noch so klar, dass man bis auf den Grund schauen konnte. Wenn ich jemals noch mal auf die Isle of Skye komme, dann wird ein Tag komplett in Elgol am Strand verbracht, soviel ist sicher!

Unser kleines Auto hatte tatsächlich erhebliche Schwierigkeiten mit der steilen Abfahrt von Elgol, aber nach einigen Versuchen haben wir die Steigung gemeistert und tuckerten zurück Richtung Kyleakin. Die Schafe lagen jetzt brav auf dem Grasstreifen am Wegrand, allerdings hoppelten stattdessen nun ganze Horden von Wildkaninchen kreuz und quer über die Straße, weshalb ich noch vorsichtiger fahren musste als auf der Hinfahrt. Wir kamen erst nach Mitternacht am Hostel an und verkrochen uns so leise wie möglich im Wohnwagen, um die Anderen nicht zu wecken.

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