Tag 12

Donnerstag, 10.07.2008 (Tag 12)

Nun waren unsere drei Tage auf der Isle of Skye schon vorüber. Wir verabschiedeten uns herzlich von Jan und ihren Töchtern und nahmen auch wehmütig Abschied vom Skye Backpackers, wo wir beide uns tatsächlich wie Zuhause gefühlt hatten.

Wir mussten im Auto mal wieder die Heizung andrehen, da Bianca fror und irgendwie leicht verschnupft war. Hoffentlich hatte sie sich vorgestern mit den nassen Füßen und später noch mit dem nassen Hintern nicht erkältet.

Nachdem wir die Isle of Skye über die Skye Bridge verlassen hatten, steuerten wir als erstes Eilean Donan Castle an, Schottlands am häufigsten fotografierte Burg. Schon im Voraus hatten wir uns entschieden, das Gebäude nur von außen zu fotografieren, da der Eintritt sehr überteuert sein sollte. Bianca musste bei seinem Anblick direkt an den Film „Highlander“ denken, ich dagegen mal wieder an „Mio, mein Mio“, denn Eilean Donan Castle kommt in beiden Filmen (und noch vielen weiteren) vor. Als Bianca und ich gerade Fotos an der schönen Steinbrücke zur Burg machten, bekam ich ungelogen den größten Schreck meines Lebens, und Bianca erging es glaube ich nicht viel besser. Aus dem Nichts wurde die Stille plötzlich von einem unglaublichen Donnern erfüllt, aber nicht wie bei einem Gewitter, sondern so musste es sich anhören, wenn ein Komet vom Himmel direkt auf einen zustürzte. Genau das war auch peinlicherweise mein erster Gedanke: „Okay, da rast gerade ein gigantischer Komet auf uns zu, gleich geht es uns wie den Dinosauriern!“ Nachdem mein Herz mit Sicherheit für einige Sekunden zu schlagen vergessen hatte, hob ich entsetzt den Kopf um zu sehen, ob die Welt um mich rum überhaupt noch existierte und sah gerade noch, wie dieser verfluchte Düsenjet, den wir auf der Isle of Skye schon jeden Tag zweimal aus weiter Entfernung gehört hatten, in einem halsbrecherischen Stunt eine 360°-Drehung nur etwa 4 Meter oberhalb der Brücke vollführte und dann wieder hinter den Bergen verschwand, wo er her gekommen war. Dieser Idiot! Dass ich vor Schreck meine Kamera nicht fallen gelassen, sondern panisch an mich gedrückt und mich hingekauert hatte, grenzte schon fast an ein Wunder!

Einige Minuten später waren wir wieder zu Atem gekommen und setzten unsere Fahrt Richtung Loch Ness fort. Bianca war sehr müde und döste vor sich hin, während es zu regnen anfing und ich endlich den Soundtrack des Filmes einschaltete, der in mir die Sehnsucht nach Schottland erst entfacht hatte: „Das Geheimnis von Loch Ness“. Ich wusste aus früheren Erzählungen meiner Mutter, dass Loch Ness nicht gerade die schönste Ecke von Schottland ist, aber auf der Fahrt dorthin freute ich mich trotzdem sehr auf unser neues Etappenziel. Die verlassenen Straßen, die kleinen Wasserfälle am Wegrand, der Regen, der sanft auf die Windschutzscheibe prasselte, die schlafende Bianca auf dem Beifahrersitz, der langsam aufziehende Nebel und dazu der Nessi-Soundtrack, das alles weckte in mir das Gefühl, gerade mitten in dem Film zu sein, den ich so liebe, es passte alles perfekt zusammen!

Loch Ness war in dichten Nebel gehüllt, als wir Drumnadrochit erreichten. Durch den Regenvorhang sah ich am Straßenrand ein Hinweisschild, auf dem „Urquhart Castle“ geschrieben stand. Sehen konnten wir von dem Schloss allerdings nichts, geschweige denn vom Ufer des Lochs, obwohl wir ganz dicht dran sein mussten. Was für eine bleigraue Nebelsuppe...

Unsere nächste Übernachtung hatten wir im Loch Ness Backpackers gebucht, was allerdings nichts mit den McBackpackers zu tun hat. Das merkte man auch sofort. Die Mitarbeiter waren zwar höflich, aber sehr wortkarg, längst nicht so herzlich wie auf Skye oder in Edinburgh. Wir wurden wieder aus dem Hauptgebäude hinaus geführt, quer über den Parkplatz bis zu einer Reihe von Zimmern, die eher Wohncontainern glichen. Der Boden wie auch die Zimmer selbst waren eiskalt, und Bianca fing schon nach kurzer Zeit zu bibbern an. Als ich den Hostelmitarbeitern sagte, dass Bianca friere und krank sei (manchmal muss man etwas übertreiben), schalteten sie aber dann auch freundlicherweise für uns die Heizung an.

In unserem Zimmer standen drei Hochbetten, von denen eins schon belegt war, als wir ankamen: Die Geschwister Jan und Aaron waren schon eine Woche hier. Sie kamen beide ursprünglich aus Utah, aber Aaron arbeitete zur Zeit in Dänemark. Hier am Loch Ness wollte er mit seiner Schwester wandern gehen, aber das Wetter hatte es ihnen bisher nicht gerade leicht gemacht. Trotz Regen und Nebel sind die beiden dann für mehrere Stunden draußen verschwunden, während Bianca und ich uns dick in unsere Decken einmummelten und mit dem Laptop auf Youtube „Prince Caspian of Narnia“ anschauten. Eigentlich lief der Film gerade erst im Kino, aber irgendwer hatte ihn auf Youtube hoch geladen. Ich hatte ihn Zuhause schon einmal gesehen, und wie erwartet gefiel er auch Bianca sehr gut und lenkte sie für eine Weile von ihrer Erkältung ab, denn eine Erkältung würde es wirklich werden, daran bestand jetzt leider kein Zweifel mehr. Deshalb blieben wir auch den Rest des Tages im mittlerweile warmen Zimmer.

Später am Nachmittag gesellten sich Jan und Aaron wieder zu uns, und dicht aneinander gedrängt saßen wir alle in meinem Bett und schauten „Much ado about nothing“ an, den außer mir erstaunlicherweise niemand kannte, aber alle haben viel und laut gelacht. Nessi gab es leider nicht im Internet zu gucken, das wäre jetzt natürlich der Clou gewesen ;-)

Am frühen Abend bekamen wir noch einen fünften Zimmerpartner: Chris aus Hongkong. Da man uns an der Rezeption den Tipp gegeben hatte, erst nach 20 Uhr das Urquhart Castle zu besuchen, weil dann kein Eintritt mehr genommen würde, hatten wir uns entschlossen, den Sonnenuntergang – sofern es denn einen geben sollte – von der Burgruine aus anzusehen. Chris, Jan und Aaron schlossen sich uns kurzerhand an, und so tuckerten wir vollbeladen gegen 21:30 in unserem kleinen Auto zurück zum Castle. Dort angekommen, standen wir erst mal vor einem Gatter, das zwar geschlossen aber nicht VERschlossen war. Die Frau an der Rezeption hatte uns gesagt, dass geschlossene Tore zu tagsüber öffentlichen Stätten in Schottland nicht so streng gesehen würden wie anderswo. Man solle einfach hindurch gehen oder drüber klettern, da hätte niemand etwas dagegen. Die Tore würden nur aus versicherungstechnischen Grünen geschlossen, wegen Haftungsausschluss, falls sich jemand ein Bein brach oder schlimmeres. Trotzdem zögerten wir kurz und schauten uns unbehaglich um, aber dann hatte Aaron das Gatter schon aufgeschoben, und wir setzten unseren Weg zum Castle fort. Etwa auf halber Strecke befand sich dann auch schon das nächste Tor, diesmal mit einem Vorhängeschloss gesichert. Sollten wir wirklich dort einbrechen? Es war weit und breit niemand zu sehen... oder doch? Doch, da kam uns ein Pärchen entgegen, auch mit Kameras bewaffnet. Sie winkten uns zu und sagten, wir sollten ruhig rüber klettern, sie hätten das auch gemacht und bis eben seien noch mehr Leute dort gewesen. Also gut, Beine über das Tor geschwungen und weiter ging’s. Ein seltsames Gefühl war es trotzdem, einfach so die Absperrungen zu ignorieren.

Einen Sonnenuntergang bekamen wir natürlich nicht zu sehen, es war viel zu nebelig, aber immerhin hörte es für die Dauer unseres Besuches zu regnen auf. An Urquhart Castle angekommen, waren wir dann doch sehr froh, keinen Eintritt bezahlt zu haben, denn die Burgruine machte wirklich nicht mehr viel her. Dass es in früheren Zeiten einmal eine der größten Festungen des mittelalterlichen Schottlands war, kann man nicht mal mehr erahnen. Während Chris über ein kleines Eisentor kletterte, um bis ans Ufer des Lochs zu gelangen (eine Absperrung mehr oder weniger machte jetzt auch nichts mehr aus) und Jan, Aaron und Bianca so gut es ging in dem nebligen Licht Fotos machten, entdeckte ich auf einem Hügel die Überreste eines verwahrlosten Kräutergartens. Kamille, Fenchel und Minze wuchsen dort ungestört vor sich hin, und ich füllte meine Jackentasche mit Fenchelsamen. Zurück im Hostel machte ich mir einen leckeren Fencheltee. Wir erzählten noch lange, aber gegen halb 1 fielen dann selbst dem Plappermaul Chris die Augen zu.

 

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